5 clevere, kleine Ideen für Parks
Zu den absurdesten Entwicklungen des an absurden Entwicklungen nicht armen Jahres 2020 gehört, dass in Berlin Dinge fertig wurden, deren Unfertigkeit zelebrierter Dauerzustand war: Der BER. Das Humboldt Forum aka Stadtschloss. Die U5-Verlängerung bis zum Hauptbahnhof. Michael Müller. (Für Nicht-Berliner: Das ist der regierende Bürgermeister hier. Müssen Sie sich aber nicht merken. Als Bürgermeister:in haben wir in dieser Stadt nur Leute zur Auswahl, die man nicht mal im EU-Parlament, dem Aufsichtsrat eines mittelständischen Automobilzulieferers oder RTLs “Sommerhaus der Stars” braucht.)
Die Erweiterung des Mauerparks.
Um Letztere soll es heute gehen.
Für Nicht-Anwohner:innen mag das zunächst so spannend klingen wie Joe Bidens Steuererklärung – die Kombi aus Bäumen, Rasen und Spielplatz scheint überall gleich. Im Fall des Mauerparks ist das jedoch – Helmut-Kohl-Gedächtnis-Ehrenwort! – anders, denn 1. liegt er auf dem ehemaligen Mauerstreifen zwischen Prenzlauer Berg und Mitte (historische Dimension), 2. fungiert er dank Flohmarkt und sonntäglichem Karaoke als weltweit bekannte Festivalfläche (touristische Dimension) und 3. ist in Folge von 2. der Begriff Park irreführend. Mauersteppe mit gut durchgegrillten Braunflächen trifft es vielmehr (euphemistische Dimension).
Ich hoffe, ein Grundinteresse ist damit geweckt.
Angelegt wurde der Todesstreifen-schmale Park kurz nach dem Fall der Mauer. Seitdem besteht der Plan, ihn zu verbreitern, um zum einen die Braunfläche zu entlasten, zum anderen den bislang ausschließlich im Osten gelegenen Grenzpark um eine westliche Komponente zu ergänzen. Doch weil Berlin Berlin ist, dauerte die Umsetzung bis zum vergangenen Jahr. Glauben Sie mir, die genauen Gründe dafür will gar nicht wissen, wer sich einen letzten Funken Glauben an die Fähigkeit und Integrität von Lokalpolitik erhalten will. Wen das nicht abschreckt, kann sich gerne melden; ich halte nach 1001 Artikel zum Komplex jederzeit ein dreistündiges Spontanreferat.
Versprach die Überschrift nicht etwas Positives? Doch, doch, und damit zurück in die thematische Spur. Denn was bei der Erweiterung rausgekommen ist, ist recht phänomenal.
Zum einen ist diese Park-State-of-the Art, mit lässigen Sitzgelegenheiten, Urban Gardening, Sportflächen, Kindergeburtstagssitzgruppenangeboten, Food-Market und sonstigem Gedöns. Zum anderen hat sie ein paar Features, die klein, fein, gut durchdacht und daher an dieser Stelle würdigenswert sind. Voilá:
1. Mülleimer mit Pfand-Halterung
Kaum hat die Menschheit in jahrzehntelangen Öko-Kampagnen erlernt, ihren Unrat in dafür vorgesehene Eimer zu entsorgen. Da kommen schlaue Krähen sowie arme Menschen daher und holen den Kram wieder raus.
Für ersteren Fall wurde der krähensichere Mülleimer erfunden (yes, it’s a thing). Ein Herz für Flaschensammler:innen zeigt die Sonder-Installation im Mauerpark. Deren Problem der niedrigen Renten / unwürdigen Tageslöhne / entgleisten Lebensplanung wird zwar nicht behoben, wenn Hipster ihre Fairtrade-Brause nicht im, sondern am Eimer entsorgen. Aber ein wenig würdevoller einsammeln wird so leicht gemacht.
2. Undogmatische Rasenkanten
Zwar ist die akkurate Rasenkante der Kleingärtnerin so identitätsstiftend wie der optimale Suhrkamp-Farbverlauf dem Feuilleton-Redakteur. Doch alle anderen mögen es lieber bequem. In der Folge wird überall dort ohne Scham plattgelatscht, wo das Aufeinandertreffen von Grün und Weg nur geometrisch, aber eben nicht routentechnisch sinnvoll verläuft.
Die im Mauerpark vor kurzem eingeführte Symbiose aus Stein und Gras ist die perfekte Lösung, um die Problemzonen der hässliche Trampelecken zu umgehen.
3. Spielplatz-Sonnensegel
Gegrillt werden sollen im Park die eingelegten Auberginen und veganen Steaks, aber bitte nicht die Kinder (sorry, der musste sein). Folgerichtig werden im Frühling über den Spielflächen Sonnensegel angebracht – und im Winter wieder eingesammelt. Hardcore-Schneeanzugfans erfreuen sich dann schließlich an jedem wärmenden Strahl, und die Lebenserwartung der Konstruktion steigt ungemein.
4. Beruhigender Kreisverkehr
Die einen lädt ein Park zum Verweilen ein. Die anderen wollen nur schnell ohne Autobelästigung mit dem Rad da durch. Damit flanierende Kaffeegenießer:innen und gestresste Radkurier:innen nicht zu hart kollidieren, hilft dieser hübsche wie beruhigende Kreisverkehr, alle auf den rechten Weg sowie ein wenig Ruhe rein zu bringen. In seinem Zentrum lässt es sich zudem hübsch sitzen und an der angebotenen Stein-Sitzgruppe park-officen, Kaffee trinken oder ein paläolithisches Ritual nach Wahl zelebrieren.
5. Kostenlose Klos
Eine der ätzendsten Begleiterscheinungen eines Beisammenseins im Park ist es, das konsumierte Bier irgendwann unauffällig in Büschen verpinkeln zu müssen. Ein für Frauen noch entwürdigender Akt als für Männer, wobei am Ende alle unter Geruch und eingehendem Grünzeug leiden.
Breaking News: Das muss nicht sein! Man kann auch einfach ein paar öffentliche Klos aufstellen und die, völlig verrückt, regelmäßig putzen und mit neuem Klopapier befüllen. Nicht nur, aber auch in Zeiten des Lockdowns möchte ich betonen: Ich bin Fan.
Hidden Track: Dauer-Pflege
Besonders aufmerksame Foto-Betrachter:innen haben es an subtil verteilten Gittern und Parkpfleger:innen längst erkannt: Die ideale Entfaltung dieser tollen Features setzt eine permanente Parkpflege voraus. Tatsächlich sind im sonst für seine Personalarmut und als Kult verklärte Verwahrlosung bekannten Berlin ausnahmsweise unermüdlich Menschen im Einsatz, damit Grün Grün bleibt, Müll im Korb landet und Christiane F. nicht das Klo übernimmt. Grün Berlin heißt das landeseigene Unternehmen, das sich nicht nur, aber auch um den Erhalt des Mauerparks kümmert und an dieser Stelle eine Würdigung verdient.
Deren Mitarbeiter:innen gießen und sähen und ackern und suchen (siehe Rasenkanten) nach pragmatischen Lösungen, wo Landschaftsplanung und Menschengewohnheiten kollidieren. Dafür vielen Dank.
Falls jemand noch andere Features aus Parks kennt, die eine weitere Beachtung und Verbreitung verdienen: Immer her damit! Ich freue mich über Kommentare oder Mails an post (at) zentraleorte (.) de.
Urbanes andernorts
Brauchen wir post Pandemie, ante Dauer-Homeoffice noch Büros oder nicht? Expert:innen behaupten unermüdlich wahlweise das eine oder andere, aber einen ernstzunehmenden Beweis für den Niedergang der Büroflächen gibt es bislang nur einen: Manhattan (New York Times).
Mal rasch quer durch Paris mit dem Auto? Das soll ab kommendem Jahr nicht mehr gehen. Ins Stadtzentrum rein dürfen dann nur noch Anlieger:innen, Lieferfahrzeuge und Hotel-Gäste, schreibt das City Lab.
Und da wir gerade bei Autos sind: